Etwas ungelenk ist diese neue Dokumentation einer an der TU Dresden angenommenen Dissertation schon, da sie nicht zwischen Fehlern bzw. Unzulänglichkeiten und echten Plagiatsvorwürfen, zwischen handwerklichen Mängeln und möglicher systematischer Täuschung des Lesers trennt. Zum Rekonstruieren der Plagiatsvorwürfe muss man sich durch den Datumsbereich des Blog-Archivs durchklicken und jene Einträge studieren, die die Vermutung “Fehlender Quellennachweis?” enthalten. Ich habe die fragliche Dissertation mittlerweile selbst durch meine Software laufen lassen und kann erste verdächtige Stellen bestätigen – vor allem unzitierte Übernahmen aus der Arbeit “Akzeptanz von E-Learning in Unternehmen” von Bürg/Mandl aus dem Jahr 2004.
Man kann in der Tat über die im Internet anonym geführte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten verschiedener Meinung sein – und die Wissenschaft sollte dringend darüber diskutieren. Verbieten wird das wohl niemand können.
Der erste Reflex der TU Dresden auf eine neue Herausforderung ist jedoch selbst noch problematischer, wie eine mir heute vom anonymen Blog-Autor zugespielte Mail beweist:
“Solange Sie Ihr Visier nicht heben und es vorziehen, als anonymer Heckenschütze zu fungieren, sind Sie niemand, der in der wissenschaftlichen Welt akzeptiert wird und der sich moralisch über die Beschuldigte stellen kann. Ich brauche Ihren Namen, Ihre Adresse, Ihren Beruf, Ihre Dienststelle und eine Erklärung der Beweggründe, die Sie dazu führten, die Dissertation von Frau Draxler zu untersuchen.
Vorher werde ich nichts unternehmen.
Prof. Dr. Achim Mehlhorn
Ombudsmann der TU Dresden”
Was hat denn nun die Dienststelle eines Bloggers mit dem im Netz publizierten Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu tun? Warum wird zunächst beim “Anonymus” recherchiert? Wäre es nicht auch für den Herrn Ombudsmann spannender, sich zunächst einmal durch die Verdächtigungen durchzuklicken (dann würde er vielleicht auch den Namen der Verdächtigten richtig schreiben können)?
Zumindest in Österreich hätte die TU Dresden mit dieser heutigen Mail selbst eine Rechtsverletzung begangen. Dort gilt nämlich: “Der Begutachter einer Diplomarbeit hat bei auftauchendem Plagiatsverdacht das Recht und die Pflicht, dem Verdacht nachzugehen [...].” (Erkenntnis des VwGH, 9.3. 1982, 81/07/0230) Das gilt sicher auch für Dissertationen und Ombudsleute, und ebenso sicher ganz unabhängig von der Identität oder Anonymität des Hinweisgebers.