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Channel: Textqualität – DOZ. DR. STEFAN WEBER
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Können Unternehmen noch selber texten? Problemfeld “Selbstdarstellungs-Plagiarismus”

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Eine Salzburger Forschungsgesellschaft schreibt auf ihrer Webseite:

“Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwächst daraus eine große Verantwortung. Die Research Studios Austria Forschungsgesellschaft nimmt diese Verantwortung wahr, auch und gerade im Dialog mit der Öffentlichkeit.”

Quelle: http://www.researchstudio.at/innovationspipeline

Das steht so auch bei der Max-Planck-Gesellschaft, allerdings im bundesdeutschen Kontext um einen Halbsatz angereichert:

“Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut – in der Bundesrepublik Deutschland ist die Forschungsfreiheit daher im Grundgesetz verankert. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwächst daraus eine große Verantwortung. Die Max-Planck-Gesellschaft nimmt diese Verantwortung wahr, auch und gerade im Dialog mit der Öffentlichkeit.”

Quelle: http://www.mpg.de/4898/standpunkte

Da stellt sich doch die Frage: Wer hat es warum von wem? Hätte man das nicht auch selbst schreiben können? Warum bedarf es offenbar selbst bei so einfachen Sachverhalten schon der “Inspiration”?

***

Eine neue Wiener Medienproduktionsfirma beschreibt sich auf ihrer Webseite:

“POPUP MEDIA greift mit seinen Mitarbeitern auf ein Netzwerk von Profis aus den Bereichen Video, Audio, Print und Internet. Mit dieser Stärke wollen wir unsere Kunden ganzheitlich und für alle Medien betreuen. Damit schätzen Partner und Kunden unsere Flexibiltät. Dieser integrative Zugang und die Freude an der Umsetzung machen uns zu einem zuverlässigen Partner. Eine langfristige und loyale Zusammenarbeit ist unser Ziel.”

Quelle: http://www.popupmedia.at/unternehmen

Und auch das findet sich so auch bei einer anderen Firma:

“Mediahaus Salzburg ist ein Netzwerk von Profis aus den Bereichen Video, Audio, Print und Internet. Somit ist es uns wie kaum einem anderen möglich, Kunden ganzheitlich und in allen Medien zu betreuen. Vor allem internationale TV- und Eventpartner schätzen unsere Flexibiltät. [...] Unsere unkonventionelle Herangehensweise und die permanente Freude an der Arbeit machen uns zu einem zuverlässigen Partner. [...] Eine langfristige und loyale Zusammenarbeit ist unser Ziel.”

Man beachte hier insbesondere die Falschschreibung “Flexibiltät” bei beiden Unternehmen, die schon sehr deutlich auf Copy & Paste hinweist.

Quelle: http://www.mediahaus.tv/index.php/das-unternehmen

Ich habe nur zwei Erklärungsmodelle:

1) Texte werden zunehmend egal, man kopiert und übernimmt sie einfach aus “Wurschtigkeit”. Dann sollten wir darüber diskutieren, was das für unsere intellektuelle Kultur bedeutet und wie ehrlich und glaubwürdig dann Informationen aus dem Web überhaupt noch sind.

2) Diese Texte wurden von Leuten bewusst gecopypastet, die keinen anderen Zugang zum Texten mehr haben als Text zu klauen. Dann sollten wir über das (Aus-)Bildungsniveau diskutieren.


Neue Auswüchse einer “Textkultur ohne Hirn” in Wirtschaft und Politik

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Wozu noch selbst texten? Die “McDonaldisierung” der Gesellschaft hat längst auch unsere Textkultur erfasst. Kritiker wie ich und einige andere Blogger sehen einen Trend zur zunehmenden Verlogenheit der Gesellschaft, zur zunehmenden Austauschbarkeit, wenn nicht gar Überflüssigkeit des Gesagten. Sprachphilosophisch gesprochen: Es werden eben nicht nur die Satzinhalte (“Kommunikationsbotschaften”), sondern die Aussagesätze selbst recycelt. Welcher Rede können wir noch trauen?

Zwei Enthüllungen aus der Blogosphäre aus den vergangenen Tagen:

1. Eine bundesdeutsche Grün-Politikerin hält eine Rede, die sich zumindest stark paraphrasierend (bei wohlwollender Auslegung), wenn nicht plagiierend an eine andere Rede anlehnt. Das hatten wir übrigens schon vor einiger Zeit bei einem österreichischen Bischof. Mich interessiert die Frage, warum so etwas geschieht. Folgende Gründe wären möglich:

* Die Plagiatoren sind intellektuell nicht imstande, einen eigenen Text zu verfassen.

* Die Plagiatoren haben nicht den Mumm, einen eigenen Text zu verfassen. Sie wollen auf Nummer sicher gehen und sich an Bestehendem orientieren, aus Angst, das Neue könne abgelehnt werden bzw. nicht funktionieren.

* Die Plagiatoren glauben, dass es heutzutage Usus ist, so zu verfahren.

* Die Plagiatoren scheren sich weniger um das Was (den Inhalt) und mehr um das Wie (die Präsentation).

* Die Plagiatoren wussten gar nichts vom Plagiat, weil sie Ghostwriter beschäftigen.

Angst macht mir immer die Möglichkeit, These 1 könne zutreffen.

2. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch diese Entdeckung: Man google den Satz “Neue Wege zu beschreiten, hat bei uns Tradition”. Dieser wird, im Verein mit ganzen identischen Absätzen, wenn nicht sogar kompletten Darlegungen von Unternehmensphilosophien bzw. -leitbildern, auf deutschsprachigen Webseiten von hunderten Unternehmen, vorwiegend aus der Unternehmensberatungsbranche verwendet. Allerdings tun alle so, als wäre damit ihr Alleinstellungsmerkmal beschrieben worden. Warum haben sich all diese Unternehmensberater für eine derartige Textkultur ohne Hirn entschieden? Teilweise haben Start-Up-Unternehmen, die es erst seit einigen Monaten gibt, die also alles andere als eine Tradition aufweisen können, den Satz im Verein mit einem weiteren Standard-Wording übernommen. Wie beraten diese Unternehmen andere? Inwiefern sind all diese Unternehmensberater kompetent, wenn es etwa um Fragen des Textens für das Web geht? Ist irgend jemandem der Widerspruch zwischen Satzinhalt und kopierender Praxis aufgefallen?

***

Man kann die Sache auch anders sehen: Nur einige verschrobene Blogger wie Ihr werter Plagiatsgutachter bemerken solche Dinge. Plagiate in akademischen Qualifikationsschriften würden dann perfekt auf eine Wirtschafts- und Arbeitswelt vorbereiten, in der Textbrocken zunehmend homogenisiert werden und Abkupfern Norm geworden ist. Nun ja: Dann sollten wir dringend alles überdenken, beginnend mit dem Deutschunterricht an Schulen. Und Lehrveranstaltungen wie “Einführung in die Heuchelei” oder “Seminar: Wie man perfekt Kompetenz vortäuscht” müssten Altbackenes wie “Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten” ersetzen. Ich erwarte die erste Stellenausschreibung in Betriebswirtschaft: “W3-Professur für professionelle Simulation von Expertise”. Wenn es zutrifft, dass Wirtschaft und Politik (und womöglich auch Religion, Kunst und andere Sozialsysteme) zunehmend so funktionieren, wozu dann noch das ganze Bemühen um Redlichkeit, Zitiergenauigkeit, Quellenkritik, kreatives Schreiben? Vielleicht hat Ihr werter Plagiatsgutachter die Grundregeln der Wirtschaft bislang nicht verstanden.

Eine Dissertation als Textbrocken-Collage: Ist das Wissenschaft?

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Ein Bild vervollständigt sich: Nach dem Abgleich mit drei weiteren Büchern von Hermann Korte, Heinz-Günter Vester und Max Weber höchstselbst ergeben sich immer mehr Indizien für ein werkprägendes Muster. TU-Dresden-Professorin und Kommunikationswissenschaftlerin Katrin Döveling hat ihre Dissertation nicht “vollständig selbstständig” geschrieben, wie es die deutschen Verwaltungsgerichte fordern*, sondern hat methodisch die Werke anderer ab- und umgeschrieben, ohne das Ausmaß der jeweiligen Übernahmen kenntlich zu machen. Für den Leser oder Begutachter der Dissertation ist es damit nicht möglich, zwischen eigenem Text Dövelings und Texten anderer, zwischen eigenen und fremden Ideen deutlich zu unterscheiden. Man muss genau hinsehen, siehe die Liste der bislang gefundenen Übereinstimmungen.

Hier nur ein Beispiel von vielen: Bei Heinz-Günter Vester (“Emotion, Gesellschaft und Kultur”, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1991) steht im Original auf S. 188:

Daraus wird bei Katrin Döveling auf S. 161:

Vester wird im markierten Segment in Fußnote 945 mit “Vgl.” einmal erwähnt, es werden aber auch Tarde und Durkheim analog referenziert. Wird dem Leser dadurch klar, dass das “Wording” in Wahrheit von Vester stammt, wie auch die Hinweise auf Tarde und Durkheim? Und das Wort “tautologisch” im Original dürfte Döveling nicht gefallen haben, sie machte aus „tautologisch und psychologistisch“ bei Vester ein „zu psychologisch”. Für mich ist diese Umschreiberitis keine Wissenschaft.

* Siehe die hochinteressante Zusammenfassung von Urteilen der vergangenen Jahrzehnte in: Daniela Schroeder, “Die Entziehung des Doktorgrades wegen Täuschung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung”, in: NWVBl., Heft 5/2010, hier S. 179.

Beweis erbracht: TU-Dresden-Professorin hat tatsächlich eine Erstsemestrigen-Hausarbeit plagiiert

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Nachdem ich mich selbst in die Materie sehr gut eingelesen habe und bereits in meinen PDF-Dokumenten zehn “rätselhafte” Übereinstimmungen zwischen einer Hausarbeit auf hausarbeiten.de und der Dissertation von Katrin Döveling dokumentiert habe, ist nunmehr der empirische Beweis mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit erbracht worden: Döveling hat tatsächlich unter anderem auch von einer Erstsemestrigen-Hausarbeit plagiiert und im Zuge dieses Plagiats eine nicht stattgefundene Literaturarbeit vorgetäuscht. Es ist eine Schande erster Ordnung für das Fach.

Hier das Original von hausarbeiten.de:

Und hier das Plagiat auf S. 59 bei Döveling:

Ich werde die gesamten Funde somit heute dem Ombudsmann der Universität Erfurt melden. An mehreren Stellen das Wording einer Hausarbeit zu übernehmen, das geht einfach zu weit. Mit im Boot sitzt nun auch das Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden, das nach meinen ersten Funden von Anfang November viel Zeit für eigene Recherchen gehabt hätte. Stattdessen hatte Wolfgang Donsbach bzw. genauer: sein empirischer Mitarbeiter nichts Besseres zu tun, als meine eigene Dissertation auf Plagiat zu überprüfen; und Katrin Döveling “wehrte” sich mit seitenlangen Drohschreiben ihrer Anwälte. Aber die mittels Textvergleich dokumentierbare Wahrheit wird sich durchsetzen.

Das Flottieren der Sätze oder: Wer hat’s von wem?

Konsequenzen aus dem Fall Schavan

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Annette Schavan wird offenbar nicht nur von weiten Teilen der Opposition geliebt, sondern auch von den bundesdeutschen Massenmedien. Jüngere und ältere Journalisten der führenden Blätter kommentieren heute einhellig, dass der Titelentzug “falsch” bzw. “nicht richtig” sei oder Schavan “bloß nicht zurücktreten” solle. Noch heute Nacht war zu lesen, es gelte nach wie vor “bis zur endgültigen Klärung die Unschuldsvermutung“.

Mag sein, dass einige Journalisten tatsächlich ein Naheverhältnis zur Politikerin haben. Mag sein, dass andere bereits selbst der jüngeren Copy & Paste-Generation angehören und einige ältere ihre Qualifikationsschriften selbst im Modus Schavan verfasst haben. Mag aber vor allem sein, dass Journalismus halt so funktioniert, dass die Massenmedien eben jetzt einen neuen ‘Dreh’ brauchen. Guttenberg war in der Bevölkerung sehr beliebt, aber Qualitätsmedien waren ihm gegenüber immer kritisch eingestellt. Bei Schavan scheint es eher umgekehrt zu sein: Sie wird vor allem von der Qualitätspresse geliebt, von der Süddeutschen bis zur FAZ. Nun erscheint sie als Opfer universitärer Willkür.

Viel entscheidender erscheint mir jedoch das Kommunikationsversagen der Wissenschaft: Es ist ihr, so auch gestern abend bei der ‘Urteilsverkündigung’, überhaupt nicht gelungen, zu vermitteln, was ein Plagiat ist und warum das simulatorische Vorgehen von Frau Schavan, wenn es geduldet werden würde, den Wissenschaftsbetrieb früher oder später kaputt machen würde (genauer: in den vergangenen Jahren zu Teilen bereits ruiniert hat!). Zudem erlangen so laufend Menschen den Doktorgrad, die grundlegende Kompetenzen wie genaues Lesen, Zitieren, Kommentieren und Bewerten nicht beherrschen. Hat Schavan ähnliche “Flüchtigkeitsfehler” bei der Entscheidung über und Vergabe von Forschungsmillionen begangen? Letztlich züchten wir uns eine intellektuelle Kultur des Als-Ob heran, in der der Schein dominiert und die Substanz sukzessive verschwindet. Die Universität Düsseldorf hat sich gestern für einen wissenschaftsgeschichtlich bedeutenden Befreiungsschlag in die richtige Richtung entschieden.

In den Massenmedien werden wir vielleicht eher über Schavans Mutter lesen oder womöglich krude Thesen hören wie jene, dass die Universität Düsseldorf den Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland mit dieser Entscheidung weltweit beschädigt und Deutschland schweren ökonomischen Schaden zugefügt habe.

Eigentlich sollten wir uns jetzt um ganz andere Dinge kümmern: Wir brauchen einheitliche Verfahren im Umgang mit Plagiatsvorwürfen, zuerst deutschlandweit, dann EU-weit. Die USA ist hier in fast allen Belangen viel weiter. Es kann nicht sein, dass eine Universität ein Plagiat nach 33 Jahren (korrekt) ahndet, andere Universitäten aber (inkorrekt) akademische Grade bei quantitativ noch umfassenderen und noch deutlicheren Plagiaten nicht entziehen und sogar paradoxe Auflagen erteilen wie etwa jene, eine plagiierte “Dissertation unverändert, aber mit korrekter Zitierweise vorzulegen”. Das macht den Wissenschaftsstandort Deutschland lächerlich und ist im Übrigen – im Gegensatz zur Schavan-Entscheidung – tatsächlich juristisch unhaltbar.

Wir brauchen weiter dringend ein deutschlandweites Institut zur Qualitätssicherung wissenschaftlicher Qualifikationsschriften. Dieses sollte nicht nur als “Kontrollbehörde” oder “Letztinstanz” fungieren, sondern selbst Forschung betreiben. Internationale Beispiele dafür gibt es einige, wie etwa das International Center for Academic Integrity. Es geht nicht an, dass irgendwelche ergrauten Emeriti unwissenschaftliche Thesen über einen angeblich korrekten Umgang mit laxen Zitaten und Plagiaten verbreiten können, während die Lehrbuchliteratur aus dem fraglichen Zeitraum etwas ganz anderes sagt (siehe mittlerweile auch das “berühmte” Beweisstück). Auch das macht die Wissenschaft lächerlich.

Und wir brauchen an jeder Universität einen “Plagiatsbeauftragten“. Erfolgreiche Pilotversuche wie die “Freiwillige Plagiatskontrolle” an der PH Freiburg können als Referenzprojekte dienen. Es ist auch ein unhaltbarer Zustand, dass ein aus Lehrenden bestehender Promotionsausschuss die mühsame Plagiatsdetektion und Quellenrekonstruktion neben der eigentlichen Arbeit, oft als eine Art abendliches Hobby mit Suchtpotenzial, erledigen muss. Wenn es Stellen für Gender-Mainstreaming gibt, sollten sich Universitäten auch Plagiatsbeauftragte leisten können.

Auf VroniPlag taucht eine plagiierte Doktorarbeit nach der anderen auf: von Anwälten, Ärzten, Wissenschaftlern, Politikern. Das wird nicht aufhören. Irgendwann werden wir bei der Zahl 100 angekommen sein. Der neue Bildungsminister wird handeln müssen. In oben skizziertem Sinne.

“Rekonstruierende” Verfahren und Qualitätssicherung eigener Schriften: MitarbeiterInnen gesucht

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Ihr werter Plagiatsgutachter weitet sein Geschäftsfeld und seinen Kundenkreis aus bzw. genauer: das hat sich eigentlich ‘von selbst’ so ergeben. Nachdem seit einigen Monaten nun auch die englischsprachige Webseite plagiarismreports.com online ist und Anfragen bis zur Überprüfung von Staatspräsidenten und Ministern ferner Länder hereinkommen, möchte ich meinen Mitarbeiterstab vergrößern. Zudem kristallisieren sich schon seit einiger Zeit zwei ganz unterschiedliche Kundenbedürfnisse heraus:

* “Rekonstruierende” Gutachten über vorwiegend bundesdeutsche und österreichische Qualifikationsschriften, vorwiegend Dissertationen, vorwiegend älteren Datums (angenommen ca. zwischen 1970 und 2000). Meine Kunden interessiert die wissenschaftliche Redlichkeit älterer Doktorarbeiten von Personen, die heute (hoch-)qualifizierte bzw. (hoch-)spezialisierte Tätigkeiten ausüben bzw. in irgendeiner Form ‘distinkte’ Positionen bekleiden (von Sachverständigen bis zu Richtern, von Politikern jeder Hierarchie bis zu Managern in Wirtschaftsunternehmen, von Medizinern bis zu Gerichtspsychologen, freilich auch von nur in der akademischen Wissenschaft tätigen Personen usw.).

* Qualitätssicherung eigener Schriften: Diese Kunden haben ein ganz anderes Interesse, sie befinden sich meist in der Abschlussphase ihrer eigenen Dissertation und möchten eine Qualitätssicherung ihres Textes in Auftrag geben. Es handelt sich hierbei um Kunden aus dem gesamten Fächerspektrum der Wissenschaft, teilweise geht es auch um englischsprachige Arbeiten. Die Kunden möchten wissen, ob sie richtig zitiert und alles korrekt belegt haben. Unsicherheiten gibt es insbesondere beim Einsatz des indirekten “Vgl.-Zitats” in den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie bei der Darlegung von Allgemeinwissen in allen Disziplinen.

Grundsätzlich ist zu sagen: Die Befriedigung beider Kundenbedürfnisse dient der Qualitätssicherung der Wissenschaft. Ich suche nun für beide Geschäftsbereiche versierte MitarbeiterInnen, die mich vor allem durch Präzision/Akribie und absolute Vertraulichkeit bei der Arbeit überzeugen können (Studienabschluss idealerweise: Doktorgrad in Germanistik, Linguistik, Philosophie/Wissenssoziologie/Wissenschaftstheorie, Informatik oder Medienwissenschaften). Um die absolute Anonymität meiner KundInnen zu sichern, wickle ich freilich die Kommunikation mit diesen weiter selbst ab. MitarbeiterInnen werden gesucht für die Aushebung und digitale Erfassung von Literatur, für die Interpretation von Ergebnissen der Plagiatssoftware, für ein “Durchgoogeln” von Texten mit der Google Buchsuche sowie letztlich für ein Erfassen und richtiges Einordnen von Plagiatsfragmenten. Bitte nehmen Sie bei Interesse mit mir Kontakt auf.

Universität Duisburg-Essen bestätigt Plagiat von Nina Haferkamp

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Ich zitiere aus der Entscheidung des Rektors:

“1. Das Rektorat schließt sich der Feststellung der Untersuchungskommission an, dass im ersten Drittel der Arbeit ein wissenschaftliches Fehlverhalten (Plagiat) durch Frau Dr. Haferkamp vorliegt.

2. Das Rektorat fordert den zuständigen Promotionsausschuss der Fakultät für Ingenieurwissenschaften auf, den zweiten und dritten Teil der Promotionsschrift inhaltlich auf Originalität zu prüfen. Das Rektorat schließt sich dabei der Empfehlung der Untersuchungskommission an, einen externen Fachgutachter hinzuzuziehen. Abhängig von der Einschätzung des zweiten und dritten Teils der Arbeit ist sodann zu prüfen, ob der originäre Teil der Promotionsschrift ausreicht, um weiterhin als Promotionsschrift anerkannt zu werden.”

Mit anderen Worten: Das wird noch lange dauern, da ist noch nichts entschieden. Der Plagiatsvorwurf ist damit aber offiziell bestätigt.


Plagiatsfall in der Schweiz weitet sich aus: Noch viel mehr abgeschrieben

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Nun hat also auch die Schweiz ihren ersten “richtigen” Politiker-Plagiatsfall. Interessant ist, dass die Vorwürfe diesmal zunächst nicht in einem Blog, einem Wiki oder von den Massenmedien schwarz auf weiß publiziert wurden. Da muss man erst einmal vorsichtig sein. Umso größer war mein Erstaunen, als ich nach nur zwei Minuten Beschäftigung mit der inkriminierten Arbeit die nächste schwere Plagiatsstelle fand. Frau Fiala hat ganz offensichtlich von einem Buchrücken eines Sammelbandes abgeschrieben, der ein Jahr vor Abgabe ihres Textes veröffentlicht wurde. Das ist schon mehr als dreist. Die Arbeit wurde für einige Tage vom Netz genommen und ist nun wieder hier erreichbar.

Die Masterarbeit läuft bei mir gegenwärtig durch die Software. Das riecht nach (viel?) mehr. Von harmlosen Stellen oder gar einer Vorverurteilung kann hier jedenfalls schon jetzt keine Rede mehr sein. Und wieder mal stellen sich die Fragen: Wenn schon Gutachter nicht genau gelesen haben und Arbeiten auch an der ETH Zürich (!) im Jahr 2010 (!!) immer noch nicht flächendeckend auf Plagiat überprüft wurden, warum nimmt man dann auch noch erstmal die Plagiatorin in Schutz und sucht nicht systemimmanent nach den Gründen für das Debakel? Wann wird die Wissenschaft endlich aufwachen?

Mutmaßliches Original: http://www.nomos-shop.de/Breitenmoser-Gle%C3%9F-Lagodny-Schengen-Praxis/productview.aspx?product=11869

Offensichtliches Plagiat, Fließtext Fiala, S. 143. Nur das Wort “allerdings” wurde eingefügt, damit deutlicher Hinweis auf intentionales Plagiieren.

Verlässt nach Plagiatorin Haferkamp auch Plagiatorin Döveling das IfK der TU Dresden?

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“Dr. Katrin Döveling lehrte von 2009 bis 2013 an der Technischen Universität Dresden und leitete den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft III.”

http://www.presseanzeiger.de/pa/Paradigmenwechsel-in-der-Wissenschaftskommunikation-681690

Das klingt ein wenig nach Vertragsende. Wahrscheinlich wird man sagen, das sei ohnehin so geplant gewesen. – Wirklich schade wäre es, wenn nun bahnbrechende wissenschaftliche Forschungsarbeiten nicht weiter betreut werden könnten. Einen Auszug aus der Bachelorarbeiten-Themenliste der fast ausnahmslos weiblichen Klientel Frau Dövelings gefällig? “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! Wie eine Sendung die deutsche Presselandschaft bewegt” (so ein Thema wäre früher selbst für einen Schulaufsatz zu plump gewesen) oder noch besser “Fiktionale Realität und Ihre Folgen” (den Rechtschreibfehler möchte ich bitte auch auf dem Deckblatt lesen).

Erinnert alles an den Fall “Wickie und die starken Männer” an der Universität Klagenfurt: Plagiatorinnen “betreuen” offenbar gerne Micky-Maus-Forschung. Eigentlich rückblickend erstaunlich, dass sich eine österreichische Peinlichkeit aus dem Jahr 2006 in Dresden 2012/13 so deckungsgleich wiederholte…

Auch die offenbar von Frau Döveling selbst eingestellte Pressemitteilung liest sich übrigens über weite Strecken fast wie eine Parodie, enthält alles und nichts. Resignierend muss man feststellen, dass das Fach – so, wie es vom Establishment vertreten wird – nichts mehr zu sagen hat.

Plagiatsforschung und -begutachtung: Kleines Update vor der Sommerpause 2013

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* Das nächste Buch Ihres werten Plagiatsgutachters wird den Titel “Plagiatsforschung. Eine Herausforderung für die Wissenschaft” tragen. Es wird 2014 bei einem renommierten deutschen Verlagshaus erscheinen, nähere Informationen folgen im Herbst. Zielgruppe sind primär Lehrende an Schulen und Hochschulen. Ein Buch zum Thema “Richtig Zitieren – Nicht Plagiieren” mit der Zielgruppe der Schüler und Studenten wird als nächstes in Angriff genommen werden.

* Nach einem Aufruf hier im Blog habe ich zwei neue Mitarbeiter gewonnen – einen versierten Kulturwissenschaftler und einen versierten Naturwissenschaftler. Ich freue mich weiter über Bewerbungen, denn es gibt auch weiterhin jede Menge zu tun – sowohl im Bereich der ‘Automatisierung’ von Arbeitsschritten wie Scannen und Durchgoogeln als auch im Bereich der intelligenten Textsuche und Fundstelleninterpretation, zwei Felder, die immer noch nur Menschen bearbeiten können.

* Für die Plagiatsdetektion Ihres werten Plagiatsgutachters hat ein Informatiker eine eigene Plagiatsfindungssoftware entwickelt, die ab sofort neben den üblichen Softwaresystemen wie PlagScan, SIM_TEXT oder WCopyfind standardmäßig zum Einsatz kommt. Eine wesentlich ‘höhere Ausbeute’ ist damit garantiert, wie ein Musterfall gerade eindrucksvoll bewiesen hat.

* Dr. (?) Rudolf Haberleitner hat mich bis dato nicht geklagt. Stattdessen erhielt ich Post von der letzten noch ausstehenden Instanz der Harvard University: “We regret to inform you that we do not have record of Rudolf Haberleitner receiving a Harvard Business School Doctor of Business Administration degree.”

* Auch Dr. Katrin Döveling hat mich bislang nicht geklagt und auch keine von ihr wiederholt angekündigte Gegendarstellung zu meinen Plagiatsvorwürfen publiziert. Stattdessen gewährt ihr die Exzellenz-TU Dresden offenbar ein Habilitationsstipendium (und dies, obwohl die Habilitationsschrift laut IfK schon vor mehr als einem Jahr fertig gewesen sein muss): “I equally sincerely and wholeheartedly thank the TU Dresden for my ‘Habilitiation research grant’ following my substitute professorship.” Ganz offensichtlich war hier eine Überarbeitung der Zitierweise notwendig geworden ;-) .

Lammertplag: Nachweis der Täuschung in wesentlichem Umfang bereits erbracht

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Die Mühen des “Robert Schmidt” sind es wert, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Hier also meine Einschätzung: Der Nachweis der Täuschung in wesentlichem Umfang ist mit den 42 beanstandeten Fließtext-Seiten (von insgesamt 116) bereits erbracht worden. Es ergibt sich ein eindeutiges Muster der suggerierten eigenständigen Auseinandersetzung mit Literaturquellen, Studien und Forschungsergebnissen – wobei aber durchweg andere, nicht genannte Literatur dieser Auseinandersetzung zugrunde lag. Zudem fand “Robert Schmidt” sogar isolierte, “rein” plagiierte Sätze wie etwa den folgenden:

Quelle: http://lammertplag.wordpress.com/2013/06/30/seite-100/

Was wird nun geschehen? Wird man die Verjährung von Dissertationsplagiaten nun doch einführen (bevor weitere Spitzenpolitiker fallen werden) und polizeiliche Verfolgungen von anonymen Online-Plagiats”jägern” ermöglichen? – Oder wird man endlich bekennen, dass in der Wissenschaft seit Jahren, seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten etwas systematisch schief läuft? Das Problem ist: Wissenschaftler und Politiker sitzen in einem Boot des Textbetrugs.

Politiker warnten gestern einhellig vor “Vorverurteilungen”. Nun, nach der Lektüre von Lammertplag sind wir längst bei der Nachverurteilung angekommen: Rübe ab für Lammert und Betreuer Faul!

TU Dresden: Untersuchung eines Verdachtsfalls nur nach Bekanntgabe der Identität des Hinweisgebers

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Etwas ungelenk ist diese neue Dokumentation einer an der TU Dresden angenommenen Dissertation schon, da sie nicht zwischen Fehlern bzw. Unzulänglichkeiten und echten Plagiatsvorwürfen, zwischen handwerklichen Mängeln und möglicher systematischer Täuschung des Lesers trennt. Zum Rekonstruieren der Plagiatsvorwürfe muss man sich durch den Datumsbereich des Blog-Archivs durchklicken und jene Einträge studieren, die die Vermutung “Fehlender Quellennachweis?” enthalten. Ich habe die fragliche Dissertation mittlerweile selbst durch meine Software laufen lassen und kann erste verdächtige Stellen bestätigen – vor allem unzitierte Übernahmen aus der Arbeit “Akzeptanz von E-Learning in Unternehmen” von Bürg/Mandl aus dem Jahr 2004.

Man kann in der Tat über die im Internet anonym geführte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten verschiedener Meinung sein – und die Wissenschaft sollte dringend darüber diskutieren. Verbieten wird das wohl niemand können.

Der erste Reflex der TU Dresden auf eine neue Herausforderung ist jedoch selbst noch problematischer, wie eine mir heute vom anonymen Blog-Autor zugespielte Mail beweist:

“Solange Sie Ihr Visier nicht heben und es vorziehen, als anonymer Heckenschütze zu fungieren, sind Sie niemand, der in der wissenschaftlichen Welt akzeptiert wird und der sich moralisch über die Beschuldigte stellen kann. Ich brauche Ihren Namen, Ihre Adresse, Ihren Beruf, Ihre Dienststelle und eine Erklärung der Beweggründe, die Sie dazu führten, die Dissertation von Frau Draxler zu untersuchen.
Vorher werde ich nichts unternehmen.

Prof. Dr. Achim Mehlhorn
Ombudsmann der TU Dresden”

Was hat denn nun die Dienststelle eines Bloggers mit dem im Netz publizierten Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu tun? Warum wird zunächst beim “Anonymus” recherchiert? Wäre es nicht auch für den Herrn Ombudsmann spannender, sich zunächst einmal durch die Verdächtigungen durchzuklicken (dann würde er vielleicht auch den Namen der Verdächtigten richtig schreiben können)?

Zumindest in Österreich hätte die TU Dresden mit dieser heutigen Mail selbst eine Rechtsverletzung begangen. Dort gilt nämlich: “Der Begutachter einer Diplomarbeit hat bei auftauchendem Plagiatsverdacht das Recht und die Pflicht, dem Verdacht nachzugehen [...].” (Erkenntnis des VwGH, 9.3. 1982, 81/07/0230) Das gilt sicher auch für Dissertationen und Ombudsleute, und ebenso sicher ganz unabhängig von der Identität oder Anonymität des Hinweisgebers.

Universität Düsseldorf nach der Causa Schavan mit mehreren Plagiatsfällen beschäftigt – weiterer Grad entzogen

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Daran sollte sich die Exzellenz-Universität Dresden mal ein Beispiel nehmen: Die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf geht das Plagiatsproblem offensiv und erfrischend ehrlich an. In einem am 15. 8. 2013 publizierten Dokument bekennt sie durchweg Farbe für eine ordentliche Wissenschaft. Erfreulich, schon auf der ersten Seite des Zwischenberichts Worte wie die folgenden zu lesen: “Ausschlaggebend ist allein das Vorliegen substantiierter Hinweise, nicht die Herkunft dieser Hinweise.”

Auf S. 3 dann der Hinweis auf den Fall Schavan und einen weiteren anonymen Fall:

“Bislang ist in zwei Fällen nach Vorprüfung durch den Promotionsausschuss und Eröffnung des Hauptverfahrens durch die Fakultät die Aberkennung der schriftlichen Promotionsleistung ausgesprochen worden. In einem dieser Fälle wurde seitens der betroffenen Person auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet. In einem weiteren Fall wird die Entscheidung der Fakultät angefochten, die erstinstanzliche Entscheidung steht derzeit noch aus.”

Was in diesem Dokument geschrieben steht, gibt einem den Glauben an eine korrekt verfahrende Wissenschaft ein wenig zurück. – Ganz anders gestaltet sich der neue Fall an der TU Dresden. Die Verfasserin der Dissertation, immerhin eine E-Learning-Institutsleiterin einer österreichischen Hochschule, hat in ihrer Arbeit bei weitem nicht lege artis gearbeitet, an zahlreichen Stellen sich selbst plagiiert und zumindest bereits einige Absätze deutlich von anderen Autoren plagiiert. Auch Übersetzungsplagiate sind bereits nachweisbar. Die Qualität der Arbeit ist auf Grund der zusätzlichen vielen Schlampereien und Ungereimtheiten eine Schande erster Ordnung für die TU Dresden. Unabhängig von der Frage des Plagiats wurden nicht einmal elementare Zitierregeln eingehalten. Und der Ombudsmann mailt mal schnell in die Runde: Ich sehe mir da gar nichts an, solange… Der nächste Wissenschaftsskandal an der TU Dresden. Dem Dresdner Elbtal wurde der Weltkulturerbe-Titel aberkannt. Schade, dass Exzellenz-Titel nicht aberkannt werden können.

Der Fall Friedman/Grün: Wer schrieb von wem ab, oder gab es eine gemeinsame Festplatte?

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Ihr werter Plagiatsgutachter hat seine Dokumentation knapp eine Woche lang schön brav zurückgehalten. Denn der Fall ‘gehörte’ und ‘gehört’ meinem wertgeschätzten Kollegen Martin Heidingsfelder, der mich vor genau sieben Tagen von seinen ersten Funden informiert hat. Nun hat Heidingsfelder allerdings selbst gestern auf Twitter eine ominöse Nachricht hinterlassen, und “Erbloggtes”, der irgendwie immer alles auch schon zu wissen scheint, lieferte heute morgen den Weiterdreh. Damit ist die Katze aus dem Sack, und die Sache gilt im Netz als publiziert.

Aus Heidingsfelders Twitter-Account

Worum geht es? Dazu zunächst eine kurze Chronologie:

* Am 15. Oktober 2008 publiziert der deutsche Philosoph Klaus-Jürgen Grün den kurzen Text “‘Effekte an sich’ – Sein-können wie Gott” im “IF-Blog”.

* Im Jahr 2010 promoviert der allseits bekannte Michel Friedman bei Klaus-Jürgen Grün mit der Schrift “Schuldlose Verantwortung“. Grün hat schon vorher mit Friedman wissenschaftlich zusammen gearbeitet und etwa 2008 den Sammelband “Entmoralisierung des Rechts” mit Friedman herausgegeben, zusammen mit dem ebenfalls allseits bekannten ehedem konstruktivistisch denkenden Hirnforscher Gerhard Roth (wir erinnern uns: “reales Gehirn” vs. “wirkliches Gehirn”). Der Text aus dem Blog findet sich in diesem Sammelband nicht.

* Im August 2013 entdeckt Martin Heidingsfelder nach dem Hinweis eines Professors, dass sich Grüns Blogbeitrag aus dem Jahr 2008 wortidentisch und ohne Zitat in der Dissertation Michel Friedmans aus dem Jahr 2010 befindet. Heidingsfelder spricht mit Grün, laut Heidingsfelder wird der Blogbeitrag in der Folge vom Netz genommen (Google Cache vergisst aufs Erste nichts!). Heidingsfelder zögert zunächst, was eine Veröffentlichung anbelangt.

* In den vergangenen sieben Tagen entdecken Heidingsfelder und ich zahlreiche weitere Textkonkordanzen zwischen Grün und Friedman (von zumindest zwei weiteren Quellen Grüns) und weitere Ungereimtheiten in der Dissertation Friedmans.

Der Fall verlangt also eine differenzierte Betrachtung. Die Schlagzeile lautet nämlich diesmal zunächst nicht: “Plagiatsvorwürfe gegenüber Michel Friedman: Hat er von seinem eigenen Doktorvater abgeschrieben?” Sie lautet schon eher: “Geheimnisvolle Textkonkordanzen zwischen Klaus-Jürgen Grün und Michel Friedman entdeckt“. – Gibt es so etwas in den Geisteswissenschaften, insbesondere in der Philosophie, dass nahezu identische Textsegmente als Versatzstücke sowohl in wissenschaftlichen Arbeiten (gedruckt und online publiziert) eines Doktorvaters als auch in einer Dissertationsschrift eines Betreuten auftauchen? Aus meiner Sicht ist dies, vorsichtig gesagt, äußerst ungewöhnlich. Jeder kann sich selbst ein Bild machen, ich habe für Martin Heidingsfelder die bisherigen Funde dokumentiert (noch kein Anspruch auf Vollständigkeit) und sie der Universität Frankfurt übermittelt. Dort scheint das allen herzlich egal zu sein, es kam bislang nicht einmal eine Eingangsbestätigung bei mir an.

Hingegen hat sich Doktorvater Klaus-Jürgen Grün bei mir gemeldet – mit einem beachtenswerten performativen Widerspruch: Er mailte mir, “die Konkordanzen” seien “aus dem bloßen Umstand zu erklären, dass ich in der Tat Texte von Herrn Friedman verwendet habe. Da aber für Blogs keine wissenschaftlichen Anforderungen gelten, gibt es für einen Plagiatsvorwurf gegen Herrn Friedman keinen Raum.” Der erste und der zweite Satz passen erkennbar nicht zusammen: Für einen Plagiatsvorwurf gegenüber Herrn Friedman gäbe es Grün zu Folge ja dann nicht deshalb “keinen Raum“, weil Grün einen der Texte 2008 auch als Blogbeitrag publiziert hat (und übrigens später auch in einem wissenschaftlichen Sammelband!), sondern weil Grün mit dieser Mail angibt, “Texte von Herrn Friedman verwendet” zu haben. Will hier ein Doktorvater mögliches wissenschaftlichen Fehlverhalten seines Ex-Dissertanten auf seine Kappe nehmen? Ist ihm klar, dass er damit selbst wissenschaftliches Fehlverhalten anzeigt? – Wie sind diese Texte tatsächlich entstanden, und warum wurden sie in der Folge so und nicht anders verwendet? Das ist es, was mich am Fall Friedman/Grün interessiert, nicht die mögliche Schlagzeile, sondern simpel und gut wissenschaftlich: die Wahrheitssuche.

Davon abgesehen teilt die Dissertation von Herrn Friedman ihr Schicksal mit zahlreichen anderen Arbeiten der vergangenen Jahre: Mitunter wurde Primärliteratur offensichtlich nicht konsultiert, sondern Bewertungen, zum Teil wörtlich, wurden in einem Fall von der FAZ abgeschrieben, in einem anderen Fall aus einer Buchrezension. Zitate wurden mitunter falschen Autoren zugeordnet, einmal befinden sich in der Arbeit seitenlange Wiedergaben eines anderen Autors mit zum Teil indirekter Rede, aber immer wieder auch ohne. Ein Wittgenstein-Zitat taucht, mit identischen Einschüben, so auch bei Grün auf, eine Referenz auf eine Habermas-Rede findet sich ebenso wörtlich, mit identischen Einschüben, bei Grün (für beides Dank an Martin Heidingsfelder). Eine Referenz auf eine frühere Arbeit Friedmans stimmt nicht: Friedman verweist auf S. 208 auf “Thesen dieses Kapitels”, die er schon früher publiziert habe, die seitenweisen wortidentischen Übernahmen beginnen aber schon mehrere Seiten zuvor. Aber hier gilt es wieder, zwischen Täuschungsvorwurf (etwa dem Vortäuschen einer Autorschaft) und schlechter oder schlampig verfahrender Wissenschaft zu unterscheiden.


Der Fall Michel Friedman oder: Warum Dissertationsautopsie die interessanteste neue Wissenschaft ist

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Erstmals gibt es einen prominenten Plagiatsfall in Deutschland, bei dem sich das Interesse der Plagiatssucher (Erbloggtes, Heidingsfelder, Weber) genau umgekehrt proportional zum Interesse der Journalisten verhält. Und das ist beim derzeitigen Stand der Dinge auch gut so. Erbloggtes schrieb mir gestern: “Das ist irgendwie ein erfrischender Plagiatsfall. Vielleicht wegen der neuen Frage, wer von wem abgeschrieben hat. Ich würde mir eine Entscheidung in dieser Sache so lange wie möglich offen lassen.”

Und genau so ist es. Man kann nämlich die These aufstellen, dass Friedman Grün ausgeschmückt, um eigenes Wissen bereichert hat. Man kann aber genau so gut die These vertreten, dass Grün Friedman gekürzt, um Abschweifungen reduziert hat. Beide Interpretationen sind mit den Textkonkordanzen über weite Strecken vereinbar. Derzeit haben wir nur die schriftlich vorliegende Aussage von Grün, dass er Friedmans Texte verwendet hat, allerdings ist diese, wie gestern kommentiert, in der vorliegenden Form unglaubwürdig. Da Grün seine Texte zwischen 2008 und 2010 publiziert hat und Friedman seine Dissertation 2010, müsste Grün damit auch entweder von philosophischen Seminararbeiten Friedmans oder aber von Erst- bzw. Rohfassungen von Friedmans Dissertation abgeschrieben haben. – Man mag sich hier fragen: Warum lassen uns die Akteure im Dunkeln und legen die Karten nicht einfach auf den Tisch? Warum hat Michel Friedman auf mehrere Anfragen Heidingsfelders nicht reagiert? Vielleicht finden es die beiden ja auch lustig, dass wir herumrätseln. Fein, dann hätten ja alle ihren Spaß.

So blieben uns nur folgende Wege der Erhellung: Wir besitzen mehrere Texte von Klaus-Jürgen Grün und Michel Friedman. Eventuell könnten uns stilometrische Verfahren in der Frage weiterhelfen, von wem die Versatzstücke ursprünglich stammen. Dafür werden im Moment auch softwarebasierte Lösungen entwickelt, zumindest als ein Aspekt der Anwendung. Ich würde mich freuen, wenn uns die Weimarer Gruppe unterstützen würde. Ein anderer softwarebasierter Weg wäre der Versuch, über gemeinsame Referenzen die Frage der Priorität zu klären. Vielleicht könnte uns hier die Software CitePlag nützlich sein. Auch hier: Dialog mit Informatikern erwünscht.

Bleibt noch drittens die Old-School-Variante: Textarchäologie als hermeneutisches Verfahren. Erbloggtes kommentierte gestern hier:

“Friedman und Grün schreiben gleichermaßen: ‘Nichts weniger als das gesamte Universum ist aus der Sicht des frommen Christen oder Moslems ein solcher Effekt an sich.’ Wie verhält es sich mit der Sicht des frommen Juden, müsste Friedman sich gefragt haben?”

Eigentlich schon. Oder auch wieder nicht. Denn vielleicht wollte sich Friedman hier bewusst zurücknehmen, seine eigene Religion aus den Überlegungen heraushalten. Das Judentum kommt in seiner Dissertation an nur einer Stelle vor.

Und so stehen die werten Plagiatsgutachter in der Tat erstmals vor einem richtigen Rätsel: Klare Plagiate ohne klar benennbare Plagiatoren. Das ist neu und aufregend.

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Im Übrigen lese ich derzeit “Entmoralisierung des Rechts” – inhaltlich, nicht auf Plagiate. Scheint mir ordentliche Wissenschaft zu sein mit neuen Argumenten, die zwar vielleicht ihrerseits von falschen Voraussetzungen ausgehen, aber durchaus ein hohes intellektuelles Niveau aufweisen. Die entdeckten Konkordanzen, auch die mitunter fragliche Qualität dieser und vor allem die vielen Zitier- und Referenzfehler in Friedmans Dissertation passen da überhaupt nicht ins Bild.

Der “Neue Realismus” Markus Gabriels: Wie Vulgärphilosophie die Universität unterwandert

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Ihr werter Plagiatsgutachter erlaubt sich, sein(en) Blog wieder einmal für sein zweites Steckenpferd neben Textplagiarismus, nämlich die Philosophie, schamlos zu ‘missbrauchen’: Mit Hochspannung habe ich, selbst seit geraumer Zeit an konstruktivistischen und relativistischen Denkmodellen zweifelnd, Markus Gabriels “Warum es die Welt nicht gibt” (Ullstein 2013) ausgepackt und es mir einverleibt. Markus Gabriel hat in der Tat eine ungemein erfrischende Art zu schreiben, und sein Buch provoziert selbst Ihren hier inhaltlich ansonsten eher zurückhaltenden Plagiatsgutachter zu einer spontanen Rezension.

Der Grund ist aber leider mein Ärger über zahlreiche eklatante Widersprüche in diesem Buch, das ja eine neue Philosophie, die des “Neuen Realismus”, begründen möchte. Ich frage mich, warum das bislang offenbar niemandem aufgefallen ist und das Feuilleton nahezu einstimmig die Brillanz des “Wunderkinds” (Neue Zürcher Zeitung), des neuen ‘Shooting Stars der Philosophie’, von ‘Deutschlands jüngstem Philosophieprofessor’ usw. lobt. Ich frage mich weiter, inwiefern sich solche fundamentalen Widersprüche und philosophischen Unzulänglichkeiten mit der Position eines an der Universität Lehrenden und Prüfenden vertragen.

Markus Gabriels Grundthese ist, dass es die Welt nicht gibt, aber alles andere (S. 9, S. 18 ff. u. a.). Wenn ich Objekte als etwas definiere, das es in der Welt gibt (Gabriel spricht hier vom “Erscheinen” in “Sinnfeldern”…), dann folgt daraus, dass die Welt selbst nicht auch ein Objekt sein kann, weil es ansonsten die Welt in der Welt geben würde. Nebenbei bemerkt, findet sich ein ähnlicher Weltbegriff wesentlich differenzierter bei Niklas Luhmann, aber das ist nicht der Punkt. – Gleichzeitig spricht Gabriel nämlich davon, dass der “Neue Realismus” “eine neue Einstellung zur Welt mit sich bringt” (S. 14). Ich frage mich, wie man eine neue Einstellung zu etwas haben kann, das es nicht gibt. Wenn ich sage, dass es Gott nicht gibt, dann habe ich doch keine Einstellung zu Gott formuliert, sondern präziser zur Gottesfrage bzw. zur Frage nach der Existenz von Gott. “Meine Einstellung zur Welt ist, dass es sie nicht gibt” ist ein paradoxer Satz, der einer ernsthaften philosophischen Prüfung nicht standhalten kann. Eine Einstellung kann ich nur zu etwas haben, das ich als existierend voraussetze. Ich kann dann etwa sagen: “Meine Einstellung zur Welt ist, dass sie objektiv erkennbar ist, während Herr Gabriel glaubt, dass es sie gar nicht gibt.”

Die Welt ist weder ausschließlich die Welt ohne Zuschauer noch ausschließlich die Welt der Zuschauer. Dies ist der Neue Realismus.” (S. 15)

Wenn es die Welt nicht gibt, wie kann ich dann jemals von den Eigenschaften der Welt sprechen? Ist Nichtexistenz eine Eigenschaft? Können nichtexistente Dinge weitere Eigenschaften haben? Und wenn Gabriel vielleicht nur die eine absolute Welt (als Totalität) ablehnt, aber viele verschiedene ‘man-made’-Welten anerkennt, dann ist er genau jener Relativist oder Konstruktivist à la Goodman oder Maturana, der er vor allem nicht sein möchte. Dafür spricht der Satz: “Es gibt also viele kleine Welten, aber nicht die eine Welt, zu der sie alle gehören.” (S. 19) Hierin ist sich Gabriel aber nicht sicher: Am Beispiel des Vesuvs erklärt er uns, der “Neue Realismus” vertrete die bahnbrechende These, dass es den Vesuv gebe und den Vesuv, wie man ihn von einer Seite aus oder von der anderen Seite aus sehen kann. Alles das, der Vesuv und wie ihn Menschen von verschiedenen Seiten aus betrachten, seien Ereignisse in der Welt. Nur wenige Seiten später beschreibt er die Situation eines Abendessens, mitsamt einer unbeobachteten (aber gleichwohl vom Autor Gabriel beobachteten) Spinne im Restaurant und will nun zeigen, dass es hier lauter kleine Welten gebe, sogar die der Spinne und die der unsichtbaren Bakterien. Was im Vesuv-Beispiel noch da war, nämlich der Vesuv, ist im Abendessen-Beispiel nur wenige Seiten später verschwunden, nämlich das Abendessen.

Ich bin mir nun nicht mehr sicher. Lese ich hier Philosophiesatire? Meint der Mann das ernst? Wenn Letzteres, dann muss nachdrücklich vor einer sich konstituierenden akademischen “Neuen Deutschen Vulgärphilosophie” gewarnt werden.

PS: Dank an Josef Mitterer für den Hinweis auf den “Neuen Realismus”.

“Rekonstruierende” Verfahren und Qualitätssicherung eigener Schriften: MitarbeiterInnen gesucht

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Ihr werter Plagiatsgutachter weitet sein Geschäftsfeld und seinen Kundenkreis aus bzw. genauer: das hat sich eigentlich ‘von selbst’ so ergeben. Nachdem seit einigen Monaten nun auch die englischsprachige Webseite plagiarismreports.com online ist und Anfragen bis zur Überprüfung von Staatspräsidenten und Ministern ferner Länder hereinkommen, möchte ich meinen Mitarbeiterstab vergrößern. Zudem kristallisieren sich schon seit einiger Zeit zwei ganz unterschiedliche Kundenbedürfnisse heraus:

* “Rekonstruierende” Gutachten über vorwiegend bundesdeutsche und österreichische Qualifikationsschriften, vorwiegend Dissertationen, vorwiegend älteren Datums (angenommen ca. zwischen 1970 und 2000). Meine Kunden interessiert die wissenschaftliche Redlichkeit älterer Doktorarbeiten von Personen, die heute (hoch-)qualifizierte bzw. (hoch-)spezialisierte Tätigkeiten ausüben bzw. in irgendeiner Form ‘distinkte’ Positionen bekleiden (von Sachverständigen bis zu Richtern, von Politikern jeder Hierarchie bis zu Managern in Wirtschaftsunternehmen, von Medizinern bis zu Gerichtspsychologen, freilich auch von nur in der akademischen Wissenschaft tätigen Personen usw.).

* Qualitätssicherung eigener Schriften: Diese Kunden haben ein ganz anderes Interesse, sie befinden sich meist in der Abschlussphase ihrer eigenen Dissertation und möchten eine Qualitätssicherung ihres Textes in Auftrag geben. Es handelt sich hierbei um Kunden aus dem gesamten Fächerspektrum der Wissenschaft, teilweise geht es auch um englischsprachige Arbeiten. Die Kunden möchten wissen, ob sie richtig zitiert und alles korrekt belegt haben. Unsicherheiten gibt es insbesondere beim Einsatz des indirekten “Vgl.-Zitats” in den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie bei der Darlegung von Allgemeinwissen in allen Disziplinen.

Grundsätzlich ist zu sagen: Die Befriedigung beider Kundenbedürfnisse dient der Qualitätssicherung der Wissenschaft. Ich suche nun für beide Geschäftsbereiche versierte MitarbeiterInnen, die mich vor allem durch Präzision/Akribie und absolute Vertraulichkeit bei der Arbeit überzeugen können (Studienabschluss idealerweise: Doktorgrad in Germanistik, Linguistik, Philosophie/Wissenssoziologie/Wissenschaftstheorie, Informatik oder Medienwissenschaften). Um die absolute Anonymität meiner KundInnen zu sichern, wickle ich freilich die Kommunikation mit diesen weiter selbst ab. MitarbeiterInnen werden gesucht für die Aushebung und digitale Erfassung von Literatur, für die Interpretation von Ergebnissen der Plagiatssoftware, für ein “Durchgoogeln” von Texten mit der Google Buchsuche sowie letztlich für ein Erfassen und richtiges Einordnen von Plagiatsfragmenten. Bitte nehmen Sie bei Interesse mit mir Kontakt auf.

Krasse Fehlentscheidung im Fall Steinmeier: Gehäufte Bauernopfer-Referenzen sind für die Uni Gießen kein Plagiat

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Meine Notiz von heute morgen: Schon heute um 13:00 will die Universität Gießen die Prüfungsergebnisse im Fall Steinmeier bekannt geben, wird hier berichtet. Meines Erachtens verheißt die doch sehr rasche Verkündigung nichts Gutes (aber nicht für Steinmeier, sondern für die Plagiatssucher). Vielleicht irre ich mich. Alle Presseanfragen bitte heute mobil unter 0043 664 13 13 444.

Update um 14:00: Die Universität Gießen will keine Täuschungsabsicht im Vorgehen Steinmeiers erkennen und belässt ihm damit den Doktortitel:

“Angesichts dieser inhaltlichen Originalität führen allein Formulierungsübereinstimmungen mit anderen Veröffentlichungen in einem bestimmten quantitativen Umfang, verschiedene Verstöße gegen Zitierregeln sowie einzelne Stellen ohne Quellenangabe, bei denen ein Versehen nicht ausgeschlossen werden kann, nicht zu einem wissenschaftlichen Fehlverhalten.”

“Die zweite Gruppe von Vorwürfen betrifft Stellen, bei denen fremde Texte übernommen wurden. Zwar würden die zitierten Quellen in den Fußnoten praktisch durchgängig offen gelegt, allerdings sei die Setzung der Fußnoten bisweilen – zumindest nach heutigen Usancen – fehlerhaft. Zu einem wissenschaftlichen Fehlverhalten werde ein solcher handwerklicher Fehler allerdings nur dann, wenn durch eine verschleiernde oder mehrdeutige Zitierweise die Urheberschaft für fremde Ideen, Argumentationen oder Erkenntnisse vorgetäuscht werden soll. Dies sei bei dem Betroffenen nicht der Fall, hieß es im Bericht des Kommissionsvorsitzenden.”

Es handelt sich hierbei um kontingente Entscheidungen, was schon die Formulierungen klar erkennen lassen. Bauernopfer-Referenzen werden von Gießen wohlwollend als “fehlerhaft” gesetzte Fußnoten interpretiert. Steinmeier hat also möglicher Weise die Zitierregeln falsch gelernt oder ist einem damals weit verbreiteten Abschreibmuster gefolgt.

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Die Überschrift von VroniPlag Wiki lautet: “Kollaborative Plagiatsdokumentation“. VroniPlag Wiki dokumentiert also (im Übrigen immer noch) bei Steinmeier keine bloßen zu interpretierenden Textkonkordanzen, sondern Plagiate – und damit, wenn diese gehäuft nachweisbar sind, wissenschaftliches Fehlverhalten. Hat sich VroniPlag Wiki damit geirrt? Hat sich Ihr werter Plagiatsgutachter schon vorher geirrt? Natürlich nicht. Der Fall zeigt nur, dass die Entscheidung, ob ein Plagiat vorliegt oder nicht, dehnbar ist, dass sie von den Universitäten einfach nicht einheitlich gehandhabt wird.

Die Uni Gießen könnte den Standpunkt vertreten: Wenn nur Bauernopfer-Referenzen gefunden werden*, also die Quellen des Abschreibens immer irgendwo (anders) angegeben wurden, dann handelt es sich um kein Plagiat. So wurde auch bei Hahn und Schwintowski (ebenfalls fragwürdigerweise!) entschieden. Eine rechtliche Grundlage oder eine Grundlage in Lehrbüchern gibt es dafür aber nicht. Nirgendwo steht geschrieben: “Sie dürfen noch ein Stück weiter ohne Anführungszeichen und Quellenangabe von jener Quelle abschreiben, aus der sie weiter oben mit Anführungszeichen und Quellenangabe zitiert haben.” Oder: “Sie dürfen bei der wörtlichen Wiedergabe ohne Anführungszeichen eine einstellige Anzahl an Wörtern pro Absatz durch Synonyme ersetzen, wenn sie irgendwo im Umfeld auf die Quelle hingewiesen haben oder einen kleinen Teil unter Anführungszeichen gesetzt haben.

Es könnte also sein, dass der Einsatz von Bauernopfer-Referenzen so weit verbreitet war und ist, dass das – zumindest bei prominenten Fällen – nicht als Plagiat gesehen wird. Das gilt es anhand einer Stichprobe älterer Dissertationen, vor allem aber auch älterer wissenschaftlicher Veröffentlichungen, die keine Qualifikationsschriften waren, zu untersuchen. Die Universität Gießen blieb diesen Beleg heute schuldig.

* Und auch das würde nicht ganz stimmen: VroniPlag Wiki hat bislang 102 Bauernopfer sowie 12 Verschleierungen und Komplettplagiate bei Steinmeier identifiziert, siehe hier.

Widerruf: Dissertation von Katrin Döveling ist kein Plagiat

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Wie Katrin Döveling auf ihrer Webseite berichtet, hat die Universität Erfurt weder ein promotionsrechtliches “noch ein sonstiges Verfahren” in Bezug auf die von mir inkriminierten Stellen in ihrer Dissertation eingeleitet. Das Ergebnis muss von mir – wenn auch zähneknirschend – akzeptiert werden. Der Plagiatsbegriff wird von Universitäten auf kleinere Bauernopfer-Referenzen und Nicht-Kennzeichnungen von einzelnen Sätzen oder Halbsätzen offenbar nicht angewendet, wenn im Umfeld Quellen angegeben werden. In einem weiteren Fall an der Universität Gießen wurde gerade ähnlich entschieden. Die Fälle Steinmeier und Lammert brachten hier die Trendwende. Und was die Zitationsqualität von Dissertationen anbelangt, haben in der Tat die Universitäten das letzte Wort und nicht Weber, Heidingsfelder, Weber-Wulff, Rieble, “Robert Schmidt” oder VroniPlag. Ich bin nun so weit, auch dies zu akzeptieren. Wir sind nicht oberster Richter und letzte Instanz.

Einige Kritiker meiner Vorgehensweise haben wiederholt die menschliche Dimension erwähnt. Ich möchte dazu sagen, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Anonymen im Netz immer mit offenem Visier gekämpft habe. Ich hatte wenig Skrupel, das zu tun, weil meine akademische Karriere eigentlich schon im Jahr 1996 endete, als mein eigener Doktorvater vom Institut ‘verjagt’ wurde (wobei die damaligen Gründe nicht das geringste mit mir zu tun hatten). Schon seitdem hatte ich keinen nachhaltigen Mentor und Förderer mehr und schlug mich mehr oder weniger “non-linear” mit Forschungsprojekten und Lehraufträgen durch.

In der Folge entdeckte ich insgesamt drei Plagiate (diesmal richtige, massive!) meiner eigenen Doktorarbeit aus dem Jahr 1996 und konnte zweimal rekonstruieren, dass Personen, die zum Teil ergiebig plagiiert haben, in der Kommunikationswissenschaft angestellt wurden. Von dutzenden weiteren Plagiaten und elf Aberkennungen ganz zu schweigen.

Als Blogger mit Realnamen ging ich davon aus, dass ich genau deshalb auch Ross und Reiter nennen kann, wenn ich Missstände entdecke. Ich gestehe aus heutiger Sicht, dabei an die menschliche Dimension und die möglichen emotionalen Folgen bei den Beschuldigten im Eifer des Gefechts nicht gedacht zu haben. Dies tut mir sehr leid.

Derzeit arbeiten Kollegen und ich mit Nachdruck daran, der Plagiatsthematik eine positiv-konstruktive Wendung zu geben: in Form der Bereitstellung wirklich funktionierender Software-Tools für Universitäten, Schulen und Verlage. Mehr dazu zu einem späteren Zeitpunkt.

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